Blinde und sehbehinderte Menschen lesen Zeitung. Sie gehen allein einkaufen. Und sie arbeiten. Internet sei dank. In einer kleinen Serie von Gastbeiträgen stelle ich das blinde Netz bei den Blogpiloten vor. Ich bedanke mich bei Steffen Büffel und seinem Team für die Zusammenarbeit.
Dienstag, 26. Mai 2009
Freitag, 22. Mai 2009
Antworten an Himmelfahrt
An regnerischen Feiertagen wie Christi Himmelfahrt, an denen Hagel und Gewitter über die Hansestadt herfallen, kann unsereins ganz ohne schlechtes Gewissen ins Web abtauchen. Gern schauen die bezaubernde Anna und ich dann bei Blogthings.com vorbei. Gerade in Zeiten, in denen Facebook von stümperhaften und langweiligen Quiz-Applikationen überschwemmt wird, sind die kleinen Tests bei Blogthings ein wahrer Segen. Liebevoll und humorvoll sind sie geschrieben, viele Fragen regen zum Nachdenken an. Die Ergebnisse sind menschenfreundlich und erfrischend unzynisch.
Einige Ergebnisse: Ich bin Yellow, Shampoo, Super Spiritual, Observant in Life, mein Birthday's Wisdom is Creation, ich bin Blogthings zufolge Salty und The Bedroom, mein Hintern verrät über mich You're Competitive, ich glaube Love is Private, und meine letzten Worte werden sein "What we know is not much. What we don't know is enormous."
Gut, dass es das Web und Blogthings gibt: Sonst wüsste ich nicht, wer ich bin. Und was verrät die Seite über Sie? Ich freu mich auf Ihre Ergebnisse in den Kommentaren.
Dienstag, 19. Mai 2009
Blind = Arbeitslos
Blind bedeutet arbeitslos - zumindest meistens. Von den rund 150.000 blinden Menschen in Deutschland sind lediglich 15.000 in einem regulären Arbeitsverhältnis. Von denjenigen im berufsfähigen Alter sind das gerade knapp 30 prozent. Hiervon wiederum kommen die allerwenigsten in der freien Wirtschaft unter. Stattdessen arbeiten 90 prozent von ihnen in Verwaltungen oder gemeinnützigen Organisationen.
Es ist sehr ernüchternd als Blinder auf Jobsuche zu sein. In der Regel trifft man bei den Arbeitsagenturen auf überforderte und ratlose Berater. Freimütig sagte mir ein Jobvermittler, dass heutzutage blinde Menschen nach einem Eingliederungspraktikum kaum noch in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen würden. Und wenn, dann würden sich die Arbeitgeber die ersten Beschäftigungsjahre von der Agentur subventionieren lassen. Sprich: die Agentur übernimmt bis zu 70 prozent der Lohnkosten. Nach zwei Jahren der Förderung säßen viele Betroffene dann wieder auf der Straße.
Dennoch ist die finanzielle Förderung vom Staat ein wichtiges Mittel, um überhaupt noch Arbeit für Behinderte zu ermöglichen. Denn immerhin ist der Lohnzuschuss an eine tarifliche Bezahlung gekoppelt. Davon träumen viele blinde Menschen. Ihr Alltag sind befristete Ein-Euro-Jobs, sinnlose Bewerbungstrainings und die frustrierende Dauersuche.
Die Oberhessische Presse schildert in ihrer heutigen Ausgabe zwei typische Fälle. Da ist zum einen der 21jährige Marco, der in diesem Jahr sein Fachabi in Marburg macht: "Wird er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, scheut er keine Kosten und Mühen. „Ich will schließlich unbedingt einen Ausbildungsplatz haben“, betont er. So steige er in die Bahn und fahre quer durch Deutschland, wenn es sein müsse.Gebracht hat es ihm bisher nichts. „Die Deutsche Bank, die Sparkasse, die Hypo Vereinsbank und die Spardabank haben mir abgesagt, teilweise sogar ohne weitere Begründung“, sagt er empört. Von der Commerzbank, an die er nach seinem Praktikum eine Bewerbung schickte, habe er nichts mehr gehört. „Dabei kann ich genauso arbeiten wie ein Sehender“, ist er sich sicher."
Und dann ist da Katharina, 36 und promovierte Germanistin. Sie sagte der Oberhessischen Presse: "„Seit drei Jahren suche ich nach einer Festanstellung." Im vergangenen Jahr habe sie rund 120 Bewerbungen geschrieben – ohne Erfolg. "Da kommt man irgendwann nicht umhin zu glauben, dass das an der Behinderung liegt".
Blindheit bedeutet nicht selten soziale Isolation. Kommt dann noch Arbeitslosigkeit mit all ihren Begleiterscheinungen dazu, ist das für den Einzelnen entmutigend und für die deutsche Gesellschaft ein Armutszeugnis.
Sonntag, 17. Mai 2009
Der ganz normale Bahnsinn
Verlieren Sie nie Ihre Bahn-Card in einem Zug der Deutschen Bahn. Als ich vor einigen Wochen mein Etui mit Ausweis und Bahn-Card beim Aussteigen am Dammtor im Abteil vergaß, ahnte ich nicht, welch einen Spaß ich noch haben würde. Der Zug sollte in Altona enden. Das Reinigungspersonal würde meine an sich wertlosen Sachen finden, und ich würde dann zum Fundbüro gehen, und alles wäre super. So dachte ich mir das. Die Realität war eine andere. Entweder wurde der ICE in Altona nicht gereinigt, oder das Personal nahm es nicht so genau mit den Fundstücken. Jedenfalls konnte mir die Online-Suche auch zwei Wochen nach dem Verlust kein Ergebnis liefern. Mein persönliches Vorsprechen im Fundbüro der Bahn am Hamburger Hauptbahnhof erbrachte nur eine patzige Antwort des Mitarbeiters: "Da stand ja Ihr Name drin. Sie hätten von uns gehört." Aha, Fehler ausgeschlossen, logisch.
Ähnlich hilfsbereit war der Mitarbeiter im Reisezentrum Dammtor, den ich für meine nächste Bahnfahrt um eine vorläufige Bahn-Card bat. Da ich dort bereits im Februar einmal eine solche erhalten hatte, wusste ich, dass das prinzipiell möglich ist. "Das machen wir nicht. Da müssen Sie die Bahn-Card-Hotline anrufen. Sie kriegen dann in zehn Tagen eine neue Karte, kostet 15 Euro. Und Sie müssen sich jetzt eine Fahrkarte zum vollen Preis holen. Die kriegen Sie später erstattet, das kostet auch 15 Euro." Ob der Verdacht, dass der Mitarbeiter seinem Job eher lustlos nachgeht, unbegründet ist? Ich erklärte ihm jedenfalls, dass ich bereits ein ermäßigtes Online-Ticket für die nächste Tour nach Frankfurt/Main hätte. "Da kann ich Ihnen gar nicht helfen. Online ist ja unsere Konkurrenz." Ich gab zu verstehen, dass doch alles Deutsche Bahn sei, ob nun Schalter oder Onlineshop. "Die Zeiten sind lange vorbei. Das sind alles eigene Firmen." Schön, wenn interner Wettbewerb auf Kosten des Kunden ausgetragen wird.
Der unfreundliche Dammtor-Mann wandte sich immer wieder an meine Begleitung, nicht an mich. Blinde Kunden sind wohl keine gleichwertigen Kunden. Wie dem auch sei: Selbst wenn der Herr von seinem Vorgesetzten eingeschärft bekommen haben sollte, dass er nicht die betriebsinternen Feinde vom Onlineverkauf unterstützen dürfe, so hätte er mir doch zumindest anbieten können, einmal beim Bahn-Card-Service anzurufen und zu klären, wie ich jetzt weiter vorgehen sollte. Nein, stattdessen kritzelte er einem nichtsehenden Kunden die Telefonnummer der Bahn auf einen kleinen Zettel und schickte mich weg. Mein Zug sollte in einer halben Stunde fahren. Service, Spontanietät und Offenheit sind bei der Bahn keine Tugenden.
Donnerstag, 14. Mai 2009
Sinn-voll: der 6. Juni 2009
Die Anzahl der Vorbereitungstreffen steigt und steigt. Alles muss geplant sein: Musik-Programm, Verpflegung, Infotische. Am 6. Juni findet rund ums Louis-Braille-Center das Fest der Sinne statt. Es wird ein besonderer Tag für alleBesucher - seien sie nun blind, sehbehindert oder sehend. An diesem Samstag wird der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) seinen 100. Geburtstag mit der Hamburger Bevölkerung und seinen Barmbeker Nachbarn feiern. Ab 11 Uhr bis in den Abend gibt es im und rund um das Louis-Braille-Center, Holsteinischer Kamp 26, ein buntes Programm.
Merken Sie sich, lieber Blind-PR-Leser, den Termin vor und schauen Sie doch mal vorbei und erleben Sie, wie bunt, sinnlich und spannend das Leben sein kann - auch mit schlechten Augen. Mehr Infos zum Fest der Sinne gibt es auf d er Seite des BSVH.
Samstag, 9. Mai 2009
PR'üfungen
Acht Seminar-Wochen, zwei Repetitorien, etliche Tage mit Büchern über Theorie und Praxis der Öffentlichkeitsarbeit liegen hinter mir - und drei Klausuren. Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag schrieb ich sie in Frankfurt am Main. Die Räume der Stiftung für Blinde und Sehbehinderte verwandelten sich in einen Prüfungsort. Elemente von PR-Konzeptionen, journalistische Textgattungen, Anforderungen an Pressemitteilungen waren Thema. Außerdem musste ich aus vorgegebenem Infomaterial innerhalb von 60 Minuten eine Pressemitteilung verfassen. Sechs sehbehinderte und blinde Köpfe rauchten. Unsere Finger rauschten über die Punkte unserer Braille-Zeilen. Wir lauschten den schnell gestellten synthetischen Sprachausgaben unserer PC's. Diejenigen von uns, die noch über ein bisschen Augenlicht verfügen, hatten ihre Gesichter dicht vor die zehnfache Vergrößerung auf ihren Laptop-Bildschirmen gepresst. Ich bin guter Dinge, dass wir alle die Prüfungen der Akademie für Kommunikationsmanagement bestehen und ich mich nach der mündlichen Prüfung am 29. Mai PR-Juniorberater (AKOMM) nennen darf. Hoffentlich behalten alle Teilnehmer der Weiterbildungsmaßnahme ihren Job oder finden einen neuen Arbeitgeber. Ich drück uns alle Daumen für die letzte Prüfung und für die berufliche Zukunft.
Geschichte: Eine Forderung der Gerechtigkeit
100 Jahre Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH): Aus diesem Anlaaß gab Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich am vergangenen Montag einen Empfang im Festsaal des Rathauses. Rund 250 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Vertreter der Blinden- und Sehbehinderten-Organisationen, BSVH-Mitglieder, -Mitarbeiter und -Spender waren dabei. Unter Anderem lauschten sie einer Reise in die Geschichte.
Heute ist Berufsförderung blinder und sehbehinderter Menschen ein wichtiges Vereinsziel. Der BSVH hat eine Fachgruppe, in der sich sehbehinderte und blinde Menschen austauschen, die viel mit Computern und im Büro arbeiten. Oder wir haben eine Gruppe der Physiotherapeuten. Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, mussten die Vereinsgründer vor 100 Jahren erst erstreiten. So verhandelten sie mit dem Medizinalamt, um Blinden eine Ausbildung zum Masseur mit anerkanntem Staatsexamen zu ermöglichen. Es gab zur damaligen Zeit in Hamburg drei Blinde, die „inoffiziell“ von einzelnen Ärzten ausgebildet waren, doch ließ man sie nicht zu einer staatlichen Prüfung zu. Dadurch wurden sie zu den Kurpfuschern gerechnet und fanden keine Anstellung und kaum das Vertrauen der Patienten. Der Vorstand bemühte sich um eine grundsätzliche Lösung und schrieb im März 1911:
"Der unterzeichnete Vorstand richtet namens des von ihm vertretenen Vereins an das das hochlöbliche Medizinal-Kollegium zu Hamburg die ergebene Bitte, blinden Masseuren Gelegenheit zu geben, die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „staatlich geprüfter Masseur“ durch Ablegung einer Prüfung zu erwerben, (...) Unter der beschränkten Anzahl der Berufe, in denen die Blinden einen Erwerb zu finden vermögen, ist die Massage eine der wenigen, in welchen ein Nichtsehender voll und ganz dasselbe zu leisten vermag, wie seine sehenden Berufsgenossen. (...) Es ist daher zu beklagen, daß es in Hamburg einem blinden Masseur nicht möglich ist, eine amtliche Anerkennung seiner Leistungsfähigkeit zu erlangen, weil durch die Verordnung von 1902 die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Staatlich geprüfter Masseur „ abhängig gemacht ist von dem Bestehen einer Prüfung, die nicht nur die Massage, sondern zugleich den gesamten Heildienst, insbesondere auch die Wundpflege umfaßt. Drei unserer Mitglieder versuchen hier in Hamburg ihr Brot als Masseur zu finden, sie sind in hiesigen staatlichen Krankenhäusern gründlich ausgebildet und geprüft und besitzen darüber Zeugnisse don den Herren Direktor Professor Dr. Schede, Professor Dr. Kümmell, Direktor Professor Dr. Derske. (…) Wir glauben, diese Bitte eine Forderung der Gerechtigkeit nennen zu dürfen, da unsere blinden Masseure sich nicht mit Wundpflege, sondern nur mit Massage beschäftigen können und wollen, und bereit sind, den Nachweis zu liefern, daß sie die von dem hochlöblichen Medizinal-Kollegium geforderte Qualifikation für diesen Beruf besitzen."
Der Blindenverein hatte Erfolg. Heute arbeiten in Deutschland Hunderte blinde und sehbehinderte Masseure und Physiotherapeuten.
Mehr Infos zur BSVH-Geschichte gibt es auf der Homepage des Vereins.
Montag, 4. Mai 2009
April: Eine Bilanz
Vögelzwitschern, -gurren, -fiepen. Ein Hauch von Wind zieht über sonnig erwärmte Haut. Vier Beine huschen durch das Gras und springen in den Teich. Ich beneide den Hund. Er springt unbeschwert in jedes Nass. Von Grenzwerten und Umweltverschmutzung weiß er nichts. Ein zauberhaftes Lachen tanzt neben mir. Zarte Hände greifen nach meinen. Dieser April ist Glück, ist Zukunft. Flugzeuge rauschen über den Stadtwald. Fahrrad-Familien surren vorbei. Die Welt ist in Bewegung. Und meine Welt steht still. Eine Leidenschaft ohne Leiden ist die absurde Freude dieser Tage. Dieser April bleibt.